Gregory Bateson (1904-1980)



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 Gregory Bateson: Geteilte Traenen von Wolfram Lutterer

Gregory Bateson: Geteilte Tr?en
von Wolfram Lutterer
erschienen in: Lernende Organisation, 2002, Heft Nr. 9, Sept/Okt., S. 18-21
Gregory Bateson (1904?980) ist ein zentraler Vordenker im Bereich systemischer und
konstruktivistischer Theorie. Bereits vor ?er f?fzig Jahren (1951) publizierte er eine Theorie
der Kommunikation, deren grundlegenden Einsichten bis heute ihre G?tigkeit nicht
verloren haben.
Die vielleicht wichtigste damalige Erkenntnis bestand darin, da?Kommunikation sich
notwendigerweise stets auf mehreren Ebenen zugleich ereignet. Wir sprechen seitdem von
Meta-Kommunikation, ein Begriff, den Bateson dem amerikanischen Linguisten Benjamin
Lee Whorf entlehnte.
Beziehungsmuster
Dieser von Bateson formulierte Mehrebenengedanke relativierte unser Alltagsverst?dnis von
Kommunikation. Der sogenannte Nachrichtenaspekt ?die ?ermittlung von 껱nformation??
r?kt in den Hintergrund. Denn: Kommunikativ verhandelt wird zun?hst einmal etwas ganz
anderes; kommunikativ verhandelt werden die Beziehungsmuster der Kommunizierenden.
Menschen sind S?getiere ?so formuliert Bateson einige Jahre sp?er lapidar in einem
Vortrag ?er Delphinforschung ?und wie alle S?getiere sind sie vornehmlich mit der
Verhandlung von Beziehungsmustern besch?tigt:
Ich versuche Sie zu ?erzeugen, Sie dazu zu bringen, da?Sie die Dinge so wie ich sehen, ich
versuche Ihren Respekt zu verdienen, meinen Respekt vor Ihnen zu zeigen, Sie
herauszufordern, und so weiter. Was wirklich stattfindet, ist eine Diskussion unserer
Beziehungsmuster, und all das in ?ereinstimmung mit den Regeln einer wissenschaftlichen
Konferenz ?er Wale. So ist es, ein Mensch zu sein. (G. Bateson, ?ologie des Geistes, S.
478)
Manipulation
Die von Bateson betonte Bedeutung des Beziehungsaspekts von Kommunikation f?rte in den
70er Jahren mit zur Begr?dung des 껷eurolinguistischen Programmierens?(NLP) durch
John Grinder und Richard Bandler. Grinder war zeitweilig Assistent Batesons am Kresge
College in Santa Cruz.
1
Bandlers und Grinders Struktur der Magie?erschienen im Jahre 1975, wurde damals von
Bateson in seinem Vorwort zu dem Buch begrüßt, erhoffte er sich doch dadurch die
Fortf?rung seiner eigenen kommunikationstheoretischen Studien.
Allerdings hielt diese Freude nicht lange an. Durch einen Bateson-Sch?er ist der Ausspruch
verb?gt, da?nur wenig sp?er Batesons Ratschlag beim Anblick der beiden ?damals
Nachbarn Batesons ?darin bestanden habe zu sagen: Run, do not walk, in the opposite
direction! F? Bateson war die pragmatistische Attit?e beider evily manipulative (n?eres
hierzu auch in W. Lutterer, Auf den Spuren ?ologischen Bewu?seins, S. 199 u. 281?84).
Kommunikation
Warum? Die Vielschichtigkeit von Kommunikation wird dann offensichtlich, wenn man sich
von den fr?en informationstheoretischen Vereinfachungen von geradlinig schlichten Sender-
Mitteilung-Empf?ger-Relationen l?t.
Kommunikation ist systemischer Natur. Es gibt nicht nur R?kkoppelungen, sondern bereits
unsere Erwartung situiert eine Gespr?hssituation. Und diese Erwartung erweist sich ihrerseits
nicht nur als beeinflu? duch die aktuelle Situation, sondern eben auch durch fr?ere Erfahrungen
in ?nlichen Kontexten: Batesons ber?mtes Deutero-Lernen bzw. Lernen II. Wir
lernen zu lernen, und die Art und Weise, wie wir Lernerfahrungen machen, beeinflu? unsere
Erwartungshaltung gegen?er unserer Umwelt.
Batesons Theorie der Kommunikation unterscheidet drei metakommunikative Aspekte,
welche den Nachrichtenaspekt einer 훧?rung nicht nur begleiten, sondern sogar erst
verstehbar machen.
Metakommunikation
(1) Die ?ermittlung von Botschaften wie 껱ch liebe dich?oder 껱hr Auftrag lautet...?kann
zun?hst einmal nur verstanden werden aufgrund der Erkenntnis um deren sprachliche und
mimisch/gestische Codierung. War die Aussage ernst gemeint oder im Spa?gesagt?
Subtile Codierungen dieser Art sind ?wie vermutlich jeder schon einmal erfahren hat ?nicht
immer zweifelsfrei zu interpretieren, aber in ihrer Bedeutung relevant. Die verschr?kten
Arme bei einer Liebeserkl?ung m?en vielleicht noch als ?ergro? Sch?hternheit gedeutet
werden k?nen, im allgemeinen aber wohl eher als schlechte Schauspielerei angesehen
werden.
(2) Wie oben bereits angesprochen, stets werden Beziehungssignale erwartet, ausgetauscht
und verarbeitet. Das Wissen um Sympathie, Vertrauen sowie deren Gegenpole ist von vordringlichem
Interesse.
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Dies wird uns allen zumindest dann sehr bewu?, wenn wir in Kontakt zu Fremden treten;
wom?lich dann noch gesteigert durch eine ungewohnte Umgebung. Ansonsten aber stellt
dieser Beziehungsaspekt gew?nlich (und dies zu Recht) eine selten reflektierte Allt?lichkeit
dar.
(3) Komunikative Erfahrungen dieser Art pr?en nicht nur das Selbstbild als erfolgreich oder
attraktiv, sie beeinflussen auch in hohem Ma? k?ftige Erwartungshaltungen: der von den
Logikern zum Teil bis heute verfehmte circulus vitiosus?jener Teufelskreis sich selbst
best?igender und somit immer weiter perpetuierender positiver oder negativer Erwartungen.
F? Bateson war klar, da?unsere ganze Weltanschauung, unser gesamtes Weltbild, durch
derartige Kontexterfahrungen beeinflu? wird.
Paradoxien in der Kommunikation
Eine fr?e Anwendung dieser Theorie erfolgte in der ber?mten, weitreichend rezipierten und
leider auch h?fig fehlinterpretierten Double-bind-Theorie von 1956: Die Erstpublikation der
Theorie, welche genau genommen in blo?n Vorstudien zu einer Theorie bestand, erfolgte in
einer verst?melten gek?zten Fassung, und sp?ere Kommentierungen, Korrekturen und
Erg?zungen wurden von dem aufgeregten psychiatrischen Fachpublikum kaum noch zur
Kenntnis genommen. Versuchte doch die Theorie, Schizophrenie als ein Resultat von
paradoxer Kommunikation zu erkl?en und nicht als 꼒ntrinsisch?(d.h. irgendwie und zwar
vorzugsweise genetisch bestimmt 꼟on innen?kommend), wie damals und teils auch heute
noch ?lich!
Nur am Rande sei erw?nt, da?Batesons Theorie bis heute auch die einzige ist, welche die
drei klassischen Verlaufsformen der Schizoprenie (Paranoia, Hebephrenie und Katatonie)
hinsichtlich ihrer jeweiligen Struktur zu erkl?en in der Lage ist: Negiert werden jeweilige
Aspekte von Kommunikation und somit unseres sozialen Miteinanders.
Aber wie dem auch sei, Batesons Studien zu Paradoxien in der Kommunikation, die im
Rahmen einer kleinen Forschergruppe von 1952 bis 1962 im kalifornischen Palo Alto
durchgef?rt wurden, stimulierten nicht nur die Begr?dung von moderner Familientherapie
und systemischer Therapie, sondern neben dem NLP auch die von Paul Watzlawick
formulierte 꼙ragmatische Kommunikationstheorie?
W?rend sich hierbei Watzlawick und das NLP im Interesse an Therapie (wie auch der
Manipulation) recht einig zu sein scheinen, unterscheiden sich beide in ihrem Theorieaufgriff.
W?rend sich Watzlawick mit den eher klassischen Studien von Batesons Forschergruppe in
Palo Alto begn?t und sp?ere erkenntnistheoretische Arbeiten Batesons au?r acht läßt,
griffen die NLPler auf ein weiteres Jahrzehnt an Theoriearbeit zur?k.
Im NLP wird deswegen denn auch gerne von innerer 꾏kologie?gesprochen, und man meint,
sich dabei auf Bateson zu berufen, der darunter jedoch etwas vollkommen anderes ?eben
3
etwas systemisch Interaktives und nichts blo?Psychisches ?verstand. Bis heute hei?
jedenfalls der (in verschiedener Hinsicht eher magere) theoretische Kern des NLP im wesentlichen
껧ateson?
Geteilte Tr?en
Doch worin besteht denn nun das Problem? Und, was k?nte dies vielleicht gar mit der
Interaktion in Organisationen zu tun haben? Ich werde mir im folgenden einen Diskurs um die
Ethik von Therapie und/oder Manipulation ersparen und damit nat?lich letztlich auch den
Nachweis schuldig bleiben, weswegen Bateson NLP und NLP-Begr?der als ?el manipulativ
gei?lte.
Ein kleines Zitat mag statt dessen gen?en, um zumindest Batesons Standpunkt in dieser
Hinsicht zu skizzieren:
Was ein Mensch f? einen anderen tun kann, ist nicht viel, aber wahrscheinlich hilft es
manchmal dem Geholfenen, wenn sich der Helfer im klaren ist, wie wenig Hilfe gegeben
werden kann. Etwas zeitweiliger Schutz vor den kalten Winden einer kranken Zivilisation,
einige geteilte Tr?en und Lachen, das ist alles. (G. Bateson, Counsel for a Suicide뭩 Friend)
Systemische Theorie
Es erscheint mir hier wichtiger, wenigstens ein oder zwei Facetten systemischer Theorie bei
Bateson einzubringen, und ich werde mich dabei insbesondere auf den sp?en Bateson
beziehen, auf einen im wesentlichen theoretisch (und zum Gl?k auch pragmatisch!) noch
immer unaufgearbeiteten, systemischen, ethischen, konstruktivistischen und auch
?ologischen Bateson.
Systemische Theorie bzw. systemisches Denken beinhaltet bei Bateson zun?hst einmal
Kontextbewu?sein. Und dies bedeutet nun eben nicht, wie etwa im NLP, das Bestreben nach
Aufdeckung und Nutzbarmachung emotionaler Prozesse. Statt dessen steht dieses
Kontextbewu?sein f? die Einbettung eines interessierenden Ph?omens (sowie sich selbst)
in den es konstituierenden und begleitenden größeren Zusammenhang. Es bedeutet damit
auch, Ph?omene nicht zu isolieren und somit zu verabsolutieren, um dann zu glauben, den
Grund oder den Schuldigen gefunden zu haben.
Pathogene Kommunikation
Ph?omene werden also nicht zergliedert und in einer Weise analysiert, die einer Vivisektion
gleichkommt. Es wird versucht, sie in ihrem Gesamtzusammenhang besser zu begreifen; zu
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verstehen, was geschehen kann, wenn man diesen aufschneidet. Dies macht Bateson insbesondere
in seinem unvollendet gebliebenen letzten Buch, Wo Engel z?ern, deutlich.
Bateson sucht dort nach einer Epistemologie des Heiligen, was sich jedoch als weniger
religi? oder esoterisch erweist, als dies zun?hst den Anschein hat: Er treibt seine Analyse
von Paradoxien und Pathologien in der Kommunikation auf die Spitze und stellt fest, da?es
zuweilen eine notwendige Nichtkommunikation gibt. Ich werde mich dieser im folgenden
ann?ern, indem ich Batesons Analysen pathogener Kommunikation in vier Schritten zusammenfasse.
1. Schismogenese
Bateson bei den Kopfj?ern: In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts beobachtete
Bateson eskalierende Verhaltensweisen bei einem Stamm ehemaliger Kopfj?er. In seiner
Vorl?fertheorie dessen, was Norbert Wiener sp?er als positive R?kkoppelung bezeichnen
wird, erkannte er die wechselseitige Verst?kung von Verhaltensweisen, in Gestalt von
Konkurrenz unter Gleichen, wie auch hinsichtlich Dominanz und Unterwerfung. Bateson bezeichnete
diese Verhaltensmuster als Schismogenese (also die Entwicklung einer Spaltung).
Die brisante Botschaft hierbei lautete, da?Dominanzgesten auch durch Unterwerfungssignale
ausgel?t werden konnten.
2. Double-bind-Theorie
Bateson mit Schizophrenen. In den 50er Jahren wurde deutlich, da?die kommunikativen und
metakommunikativen Aspekte unserer Interaktion auch in Widerspruch zueinander geraten
k?nen. Das hierzu bereits genannte Beispiel war die Liebeserkl?ung mit verschr?kten
Armen.
Es zeigte sich, da?wir in Situationen insbesondere emotionaler Abh?gigkeit (und wir sind
nun einmal emotionale Wesen) in eine Art Beziehungsfalle (so Helm Stierlin) hineingeraten
k?nen, in welcher jedes Verhalten als falsch ausgelegt werden kann. Gehe ich mit einem
Problem zu meinem Kollegen, wird es ggfs. als Schw?he ausgelegt, br?e ich es selber aus,
werde ich wom?lich als nicht hinreichend teamf?ig bezeichnet.
Diese Beziehungsfallen wurden als double-binds bezeichnet, und der anf?gliche Fehler
bestand darin, da?man dabei allzu sehr an Schizophrenie dachte und nicht so sehr an die
Allt?lichkeit, in der sich derartige Situationen ergeben. Wir alle leiden immer wieder unter
paradoxer Kommunikation.
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3. Zweckgerichtete Rationalit?
Mit Batesons Analysen zur zweckgerichteten Rationalit? n?ere ich mich der Frage nach
einer notwendigen Nichtkommunikation.
Beschrieb Schismogenese noch die Beobachtung blo?r Verhaltensweisen, verkn?fte dies
die Double-bind-Theorie bereits mit Spezifika kommunikativer Prozesse. Unter dem Begriff
der zweckgerichteten Rationalit? wird nun weiter von der blo?n Beobachtung von Verhaltensweisen
auf die Analyse korrespondierender innerer Haltungen ?ergegangen.
Aber was mag nun schon schlimm daran sein, zweckorientiert zu denken und zu handeln,
wird man sich fragen. Der Grund hierf? ist eigentlich recht einfach: Mit der Setzung von
Zwecken bestimmen wir f? gew?nlich recht eindeutige lineare Mittel-Zweck-Relationen
und ignorieren damit schlichtweg die reale Komplexit?.
Das Problem besteht in der Illusion, dem Glauben, komplexe Prozesse kontrollieren zu
k?nen, w?rend man vielleicht eher gerade mit der Z?dschnur eines Pulverfasses hantiert.
Zumindest in logischer Hinsicht d?fte allerdings eigentlich eines klar sein. Wir sind, so
Bateson, ein Teil größerer Systeme. Ein Teil vermag allerdings niemals das Ganze zu
kontrollieren ?und dies d?fte sowohl in ?ologischer als auch in sozialer Hinsicht gelten.
4. Notwendige Nichtkommunikation
Am Ende seines wissenschaftlichen Lebensweges angelangt, n?ert sich Batesons Analytik
den Grenzen m?lichen Ausdrucks. Mit dem Verweis auf eine notwendige Nichtkommunikation
ist gemeint, da?in bestimmten Situationen ein Zuviel an Bewu?heit
unerw?scht ist.
Diese Feststellung entbehrt allerdings nicht einer gewissen Ironie. Waren es nicht Bateson und
Ruesch, welche den Satz 꼂ir k?nen niemals nicht kommunizieren?pr?ten? Die
interessierende Frage ist, was letztlich kommuniziert wird.
Es gibt, so Bateson, recht feine Grenzlinien, welche den Unterschied zwischen Heiligem und
Profanem, 훥thetischem und Triebhaften, Vors?zlichem und Unbewu?en sowie Denken und
F?len markieren. Wie entscheiden wir, ob eine Handlung aus Liebe oder aus Berechnung
vollzogen wurde? Wie ?juristisch nicht unspannend ?wird entschieden, ob ein krimineller
Akt aus Vorsatz oder Versehen begangen wurde?
Der Begriff des Heiligen steht f? einen potentiellen Ort notwendiger Nichtkommunikation,
also im wesentlichen einer notwendigen Begrenzung von Bewu?heit. Menschliche Sozialit?,
wie wir sie kennen, ist am Ende, wenn ein jeder nur noch dem neoliberalen strategischen
Kalk? eigener Profitmaximierung gehorcht. Der Moment, an dem ich bei einem Gegen?er
nur noch von einem rein strategischen Handeln ausgehen kann, macht gesunde zwischen-
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menschliche Beziehungsmuster, Vertrauen, unm?lich.
Batesons L?ung f? diese sehr allt?liche Krisis unseres zweckorientierten und strategischen,
egozentrierten Bewu?seins war somit notwendig systemisch, holistisch, ?ologisch,
relational: Die Hoffnung auf eine intellektuell-emotionale, 꼏anzheitliche?individuelle
Einbettung in ein größeres Ganzes war es, welche als Hoffnungsanker verblieb.
Nebenbei: Das formale Kalk?, welches dem neoliberalistischem Denken entspricht ?die von
Neumannsche Spieltheorie ?wurde bereits im Jahre 1948 von Norbert Wiener als die
Forcierung einer Mischung aus Habgier, Verrat, Betrug und Skrupellosigkeit gebrandmarkt.
Kaum Zufall, da?auch Norbert Wiener Kybernetiker war.
Zusammenfassung, Kontextualisierung
Was folgt nun aus alledem? Kommunikative Prozesse vollziehen sich nicht nur auf verschiedenen
Ebenen zugleich, diese Ebenen k?nen durchaus auch in Konflikt miteinander
stehen. Des weiteren ist die Weise, wie wir kommunizieren, in einer sehr grundlegenden
Weise von unserer jeweiligen Weltanschauung durchdrungen und vor allem davon, wie sehr
wir die vorhandene Komplexit? verk?zen und uns demnach hinsichtlich einfacher L?ungen
letztlich L?en erz?len.
Systemische Positionen, die Bateson folgen, begreifen unser Miteinander, sei es in Organisationen
oder in Familien stets auch als Teil eines größeren sozialen und ?ologischen
Ganzen. Hier ist denn auch der Unterschied zu systemtheoretischen Vorgehensweisen, wie sie
etwa bei Niklas Luhmann formuliert wurden, eklatant. Hierauf werde ich in einer abschlie?nden
Kontextualisierung kurz eingehen.
Mit Bateson versucht man sich die Vielfalt kausaler und systemischer Beziehungsmuster
erkenntlich zu machen, mit Luhmann betont man hingegen den systemhaften Eigencharakter
einer Organisation. W?rend sich bei Luhmann letztlich in einem grenzenlosen Ozean namens
Umwelt einige Systeme tummeln und mehr oder minder lose 꼜trukturell koppeln? liegen bei
Bateson viel eher Systeme in Systemen in Systemen vor. Damit droht bei Luhmann letztlich
ein kognitiver Solipsismus, bei Bateson hingegen ein infiniter Regre? Also, ein Unentschieden?
Mit letzterem, dem infiniten Regre? hat die Kybernetik allerdings umzugehen gelernt.
Kausalketten werden nicht mehr ?wie etwa noch bei Immanuel Kants ber?mten Antinomien
in der Kritik der reinen Vernunft ?als sich immer weiter bis ins Unendliche fortsetzend
angesehen, sondern als sich r?kkoppelnde und somit zirkul? schlie?nde Ph?omene
verstanden.
Bateson selbst hierzu:
Ich glaube, die Kybernetik ist der größte Bissen aus der Frucht vom Baum der Erkenntnis,
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den die Menschen in den letzten zweitausend Jahren zu sich genommen hat. Die meisten Bisse
von diesem Apfel haben sich jedoch als ziemlich unverdaulich erwiesen ?meistens aus
kybernetischen Gr?den. (?ologie des Geistes, S. 612)
Das Faszinosum an Bateson ist insgesamt gewi?nicht nur die Sensibilisierung, die man durch
die Besch?tigung mit seinem Denken bez?lich sozialer und ?ologischer Ph?omene
erf?rt, faszinierend bleibt auch, da?er bis heute ein anregender und in seinem Denken
letztlich noch unausgesch?fter Denker bleibt.
Literatur
Bateson, Gregory: Geist und Natur, Frankfurt 1982 (orig. 1979).
Bateson, Gregory: ?ologie des Geistes, Frankfurt 1985 (orig. 1972).
Bateson, Gregory: Wo Engel z?ern, Frankfurt 1993 (orig. 1987).
Bateson, Gregory: 껩ounsel for a Suicide뭩 Friend? in: CoEvolution Quarterly, 1975, H. 5, S. 137.
Lutterer, Wolfram: Auf den Spuren ?ologischen Bewu?seins. Eine Analyse des Gesamtwerks von Gregory
Bateson, Norderstedt 2000.
Lutterer, Wolfram: Gregory Bateson. Eine Einf?rung, Heidelberg 2002.
Ruesch, J?gen u. Bateson, Gregory: Kommunikation: die soziale Matrix der Psychiatrie, Heidelberg 1995 (orig.
1951).
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